Britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nach ungeregeltem Brexit
[Update 01.02.2020] Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur wird die britische Ltd. im Falle eines sogenannten ungeregelten Brexits ihre Rechtsfähigkeit in Deutschland verlieren, was zur Folge hätte, dass für Rechtsgeschäfte danach eine persönliche Haftung der Gesellschafter aufleben würde.
Zur Vermeidung einer solchen Wirkung gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:
- Verschmelzung der Ltd. auf eine juristische Person (GmbH)
Es handelt sich hierbei um eine grenzüberschreitende Verschmelzung nach dem §§ 122a ff. UmwG. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die deutsche Gesellschaft Gesamtrechtsnachfolger und eine Einzelübertragung von Rechtsgeschäften nicht erforderlich ist, der Nachteil ist, dass das Verfahren komplex ist und es einen teuren Beratungsaufwand mit sich zieht. Wegen des Sacheinlageverbots gem. § 5a Abs. 2 GmbHG kann nicht auf eine UG (haftungsbeschränkt) verschmolzen werden.
- Es bedarf eines gemeinsamen Verschmelzungsplans, der gemäß § 122c Abs. 4 UmwG beurkundungsbedürftig ist.
- Es bedarf eines Verschmelzungsberichts der Vertretungsorgane.
- Beim britischen registrar of companies muss ein Entwurf des Verschmelzungsplan eingereicht werden, in England besteht hier eine Frist von 2 Monaten vor Verschmelzungsbeschluss (in Deutschland gemäß § 122d Abs. 1 UmwG nur 1 Monat).
- Der Verschmelzungsplan muss in deutscher und in englischer Sprache abgefasst werden.
Das Gericht verlangt die Bestätigung eines Übersetzers, dass „gleichlautende Verschmelzungspläne“ vorliegen.
- Notwendig ist eine sogenannte Verschmelzungsbescheinigung (pre-merger certificate) zur Vorlage beim deutschen Register. Diese Bescheinigung ist notwendig, da sonst das deutsche Handelsregister die Verschmelzung nicht einträgt.
Der Haken an der Sache ist folgender:
Die britische Justiz verlangt derzeit einen Anhörungstermin vor dem High Court mit einem in England zugelassenen Rechtsanwalt. Dies verteuert die Verschmelzung, bei der ohnehin hohe Gebühren für Berater, Übersetzer und Notar anfallen noch weiter.
- Die zweite Möglichkeit besteht in der sogenannten grenzüberschreitenden Anwachsung:
- Hier werden sämtliche Anteile der Ltd. auf eine deutsche GmbH übertragen.
- Mit Wirksamwerden des unregulierten Brexits wird die Ltd. im deutschen Recht nicht mehr anerkannt (hM).
- Der Anteilseigner, also Gesellschafter wird damit zum Einzelkaufmann, hier würde dann die deutsche GmbH zum Unternehmensträger.
- Das Vermögen der Ltd. geht im Wege der Anwachsung auf die GmbH über.
- Nach englischem Recht bleibt die Ltd. allerdings bestehen. Man kann hier aber die Löschung von Amts wegen abwarten.
Wenn man die Anwachsung auf eine Personengesellschaft durchführen möchte, dann ginge dies auch mit zwei GmbHs als Gesellschafter, nach Wegfall des Unternehmensträgers würde dann eine OHG, bestehend aus zwei GmbHs entstehen. Diese könnte dann zum Handelsregister angemeldet werden.
Grundsätzlich zu beachten ist, dass den vorherigen Annahmen immer die Annahme eines ungeregelten Brexits zugrunde liegt. Voraussetzung dafür, dass die Ltd. nach einem ungeregelten Brexit ihre Rechtsfähigkeit in der übrigen Europäischen Union behalten könnte, wäre allerdings ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und Großbritannien oder aber eine entsprechende gesetzgeberische Regelung durch den nationalen oder europäischen Gesetzgeber.
Praxishinweis: Wer zum Zeitpunkt des möglichen ungeregelten Brexits am 30.03.2019 keine böse Überraschung erleben will, der sollte rasch einen Plan B erarbeiten. Bei Verschmelzung oder aber anderen Konstrukten können wir beratend tätig werden. Bitte sprechen Sie uns rechtzeitig (!) an.
PS 18.09.2019: Die „Chancen“ auf einen ungeregelten Brexit – jetzt zum 31.10.2019 – bestehen nunmehr zum 31.10.2019. Wer glaubt, sich angesichts der Vielzahl von Ltd. mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik darauf verlassen zu können, dass eine Regelung gefunden wird könnte am 01.11. ein böses Erwachen erleben.
Nachsatz 01.02.2020: Das Vereinigte Königreich ist nunmehr aus der EU ausgetreten, es wurde eine Vereinbarung getroffen, dass sich in einer Übergangszeit bis zum 31.12.2020 (nahezu) nichts ändert. So finden etwa die Vorschriften der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) und die Regelungen zur Anerkennung juristischer Personen bis zum Jahresende Anwendung.
Ob und inwieweit das oben geschilderte Szenario greifen wird, hängt also in erster Linie von den noch bis Jahresende zu regelnden Einzelheiten des Austrittsabkommens ab.